Das Umweltbundesamt warnt, das Gefahrenpotenzial nicht zu unterschätzen. Deshalb haben wir mit Frau Gabriele Hoffmann vom Bundesumweltamt gesprochen.
Eresmann KFZ-Box: Das Kältemittel R1234yf in Auto-Klimaanlagen soll laut einer Untersuchung der Ludwig-Maximilians-Universität im Brandfall den hochgiftigen Stoff Carbonylfluorid freisetzen. Wie schätzen Sie die Gefahren für Autofahrer ein?
Gabriele Hoffmann: Bei der Verbrennung von fluorhaltigen Kohlenwasserstoffen bildet sich üblicherweise Fluorwasserstoff (HF). Die Ludwig-Maximilians-Universität hat im Jahr 2014 Untersuchungen veröffentlicht [Feller et al. 2014], bei denen im Labor bei der Verbrennung von R1234yf (C3F4H2) neben Fluorwasserstoff (HF) auch ein Anteil von 20 % an Carbonylfluorid (COF2) in den Brandgasen nachgewiesen wurde. Carbonylfluorid wird durch Hydrolyse, d. h. in Kontakt mit Feuchte, zügig zu Fluorwasserstoff (und Kohlenstoffdioxid) umgesetzt. Carbonylfluorid und Fluorwasserstoff sind giftig.
Bei Fluorwasserstoff führt das Einatmen schon geringer Konzentrationen über 95 ppm (entspricht dem sog. AEGL 2 Wert über 10 Minuten, AEGL acute exposure guideline level, dt.: Störfallbeurteilungswert) zu irreversiblen Gesundheitsschäden. Carbonylfluorid selbst ist noch giftiger als Fluorwasserstoff. Dies berichtet auch eine neuere Untersuchung auf der Basis von Kurzzeitinhalationstests mit Ratten [Adolph et al 2018], zu der uns jedoch derzeit keine Bewertung einer zuständigen Stelle vorliegt.
Die Risiken, dass Insassen bei einem Pkw-Brand den Zersetzungsgasen des Kältemittels ausgesetzt sind, müssen von den Pkw-Herstellern im Rahmen ihrer Produktverantwortung in Risikoanalysen für den jeweiligen Pkw-Typ bewertet und Maßnahmen zur Minimierung getroffen werden. Für die Bewertung der Sicherheit von Pkw hat das Umweltbundesamt keine spezielle Expertise und keine Zuständigkeit.
[Michael Feller, Karin Lux, Christian Hohenstein, and Andreas Kornath: Structure and Properties of 2,3,3,3-Tetrafluoropropene (HFO-1234yf). Z. Naturforsch. 2014, 69b, 379 – 387 / DOI: 10.5560 / ZNB.2014 - 4017]
[Adolph J. Januszkiewicz, Matthew A. Bazar, Lee C. B. Crouse, Michael A. Chapman, Steven E. Hodges, Steven J. McCormick & Arthur J. O’Neill: Morbidity and mortality resulting from acute inhalation exposures to hydrogen fluoride and carbonyl fluoride in rats. Inhalation Toxicology, Volume 30, 2018 - Issue 3, 114-123 Published Online: 15 May 2018 DOI: 10.1080 / 08958378.2018.1465494]
Eresmann KFZ-Box: Besteht für Autofahrer eine gesundheitliche Gefahr, wenn sich in der Klimaanlage die Kältemittel R1234yf oder R134a befinden?
Gabriele Hoffmann: Die Kältemittel, die sich in der Klimaanlage befinden, stellen im normalen Betriebsfall für den Autofahrer keine Gefahr dar, da die Anlage technisch dicht ist.
R134a ist selbst nicht brennbar; erst bei sehr hohen Temperaturen entsteht Fluorwasserstoff. Aufgrund von Brandversuchen an einigen Pkw und Vergleichsmessungen mit dem bisherigen Kältemittel R134a stellte das Kraftfahrtbundesamt in seinem Bericht vom 8.10.2013 fest, dass „das generelle Sicherheitsniveau von Kraftfahrzeugen durch den Einsatz von R1234yf tendenziell verschlechtert wird […] Durch die funktionsbedingte Lage von Klimaanlagenkomponenten in crashrelevanten Zonen des Fahrzeugs (Front-Kondensator und Kältemittelleitungen) könnte es zu Fahrzeugbränden in Situationen kommen, die es in bisherigen Fahrzeugen [mit R134a, d. Verf.] zurzeit nicht gibt.“ Eine diesbezügliche Brandstatistik ist dem Umweltbundesamt nicht bekannt.
Eresmann KFZ-Box: Gibt es bereits Alternativen für die Kältemittel R1234yf und R134a?
Gabriele Hoffmann: Ja. In Deutschland wurden seit einigen Jahre bestimmte Pkw-Modelle ab Werk mit Anlagen mit dem natürlichen Kältemittel Kohlendioxid (CO2), das als Kältemittel mit R744 bezeichnet wird, ausgerüstet. Die Einführung solcher Klimaanlagen in Pkw ist bisher noch nicht ausgeweitet worden.
Für zukünftige Elektro-Pkw wird R744 in Erwägung gezogen, auch weil man damit im Sommer nicht nur kühlen, sondern im Winter im Wärmepumpenbetrieb auch effizient heizen kann.
Dieselbusse wurden bereits seit 2004 mit R744-Anlagen ausgerüstet. Für Elektrobusse gibt es bereits serienmäßig Klimasysteme mit R744, die auch die Batterie kühlen oder erwärmen.
Obwohl für Fahrzeuge auch immer wieder einfache Kohlenwasserstoffe als Kältemittel untersucht werden, die wie R1234yf brennbar sind, aber keinen Fluorwasserstoff bilden, ist uns noch kein regulärer Einsatz in Fahrzeugklimaanlagen bekannt. Auch hier müssen die Sicherheitsfragen geklärt werden.